Mit großem Befremden hat der Dachverband der Tierhalter e. V. (DV-TH) ein Positionspapier zur Kenntnis genommen, das vor der Bundestagswahl 2017 die politischen Parteien auffordert, „zum Schutz der Tiere den Handel auf gewerblichen Tierbörsen zu verbieten“.
Unterzeichnet wurde es von einer ungewöhnlichen Koalition verschiedener Verbände: Hier stehen Seite an Seit der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) als Dachverband von kommerziell orientierten Zoogeschäften und der Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz (BNA), der für sich in Anspruch nimmt, private Tierhalter zu vertreten, neben der Bundestierärztekammer sowie dem Deutschen Tierschutzbund, TASSO und Pro Wildlife, also drei Verbänden, die sich explizit gegen die private Tierhaltung von exotischen Tieren aussprechen und damit den Zielen von ZZF, BNA und privaten Tierhaltern eigentlich diametral entgegengesetzt stehen.
Offensichtlich aber scheinen solche grundlegenden Bedenken für den ZZF keine Rolle zu spielen, wenn dadurch der eigene geschäftliche Vorteil gestärkt und der lästigen Konkurrenz durch Börsen ein Schlag versetzt werden kann. Dass die nächste Aktion der Tierhaltungsgegner sich dann sicherlich auch wieder gegen die Mitglieder von ZZF und BNA richten wird, scheint dabei keine Rolle zu spielen.
Inhaltlich lehnt der DV-TH das Positionspapier ab. Maßgeblich für den Verkauf von Tieren gleich welcher Art sollten selbstverständlich fachkundige Beratung und gute Haltungsbedingungen der Tiere sowohl vor als auch nach dem Verkauf sein. Beides kann in gut geführten Zoogeschäften ebenso gewährleistet sein wie bei privaten Züchtern und Anbietern auf Tierbörsen. Die im Positionspapier aufgestellte Behauptung, „auf Tierbörsen kann aufgrund des Andrangs und des schnellen Verkaufsgeschehens eine sachgerechte Beratung beim Kauf von Heim- und Wildtieren meistens nicht sichergestellt werden“ entbehrt jeder Grundlage.
Nichts gegen gut geführte Zoofachgeschäfte – aber selbstverständlich ist eine sachgerechte Beratung auf einer Börse ebenso gut möglich. Die liegt letztlich nämlich immer an der Kompetenz des Verkäufers, die aber auf Börsen oftmals besonders hoch ist, da die Tiere hier meistens von den Züchtern selbst oder von spezialisierten Fachhändlern angeboten werden, die häufig einen nicht unerheblichen Wissensvorsprung gegenüber Allround-Verkäufern in Vollsortiments-Zoogeschäften haben.
Ob der Verkäufer sich die nötige Zeit für ein Beratungsgespräch nimmt oder nicht, liegt sicherlich nicht am Ort des Verkaufs, sondern an den beteiligten Personen selbst. Auch die Behauptung, bei auf Börsen gekauften Tieren sei „eine Beratung durch den Verkäufer über einen längeren Zeitraum im Anschluss an den Kauf nicht möglich“, ist sachlich schlicht falsch. Die meisten Verkäufe auf Tierbörsen finden durch Züchter statt, und die können selbstverständlich den Kunden hinterher weitaus kompetenter und ausdauernder beraten, als ein Zoofachhändler dies naturgemäß vermag. Kein Anbieter auf einer Börse tritt anonym auf, der Käufer hat immer die Kontaktdaten, und es sollte in Zeiten allgegenwärtiger Telekommunikation kein Problem bedeuten, auch nach der Börse noch den Kontakt zu halten. Die Vorstellung, dass ein Kunde dafür eigens zum Zoogeschäft gehen muss, um nur dort dann seine Fragen beantwortet zu bekommen, mutet doch reichlich vorsintflutlich an.
Des Weiteren besteht laut dem Positionspapier die „Gefahr der Beeinträchtigung des Tierwohls bei wiederholtem Transport, Lagerung und Präsentation der Tiere – insbesondere bei langen Anreisestrecken und bei gewerblichen Händlern, die von Börse zu Börse ziehen.“ Deshalb sollten nach Meinung der unterzeichnenden Verbände „gewerbliche und überregionale Tierbörsen verboten werden.“ Nun bestehen aber ausführliche Regelwerke, die den Transport von Tieren zu Börsen und den Umgang mit ihnen auf Börsen detailliert vorschreiben. Neben dem Tierschutzgesetz und den jeweiligen Richtlinien der Börse selbst sind hier vor allem die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Tierschutzgesetzes sowie die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft herausgegebenen „Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten“ zu nennen, die genau dazu da sind, Beeinträchtigungen des Tierwohls zu verhindern.
Jede Tierbörse muss von der zuständigen Behörde nach exakter Darlegung aller Umstände – von den angebotenen Tieren bis hin zur Ausgestaltung der Räumlichkeiten – genehmigt werden. Die korrekte Durchführung wird anschließend vom jeweiligen Amtsveterinär kontrolliert. Da gerade größere, überregionale Börsen oft sehr stark im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, kann man guten Gewissens davon ausgehen, dass gerade sie sehr genau kontrolliert werden. Daher ist die pauschale Behauptung einer Gefahr der Beeinträchtigung des Tierwohls nicht nachzuvollziehen.
Letztlich stellt sich vor allem aber auch die Frage, was genau eigentlich mit dem geforderten Verbot erreicht werden soll? Im Positionspapier heißt es: „Tierbörsen beispielsweise von Züchterverbänden, auf denen Privatpersonen in kleinem Umfang Nachwuchs aus eigener Tierhaltung verkaufen oder tauschen, können unter verbindlichen Auflagen weiterhin erlaubt bleiben“, hingegen sollen „gewerbliche und überregionale Tierbörsen verboten werden“.
Nun ist es aber so: Jeder Veranstalter einer Tierbörse, ganz gleich ob Züchterverband oder kommerzieller Veranstalter, benötigt eine Genehmigung nach §11 Tierschutzgesetz für den gewerbsmäßigen Umgang mit Tieren.
Wo soll denn da bei einem Verbot die Grenze gezogen werden? Und ist es angesichts der komplexen Thematik und der zahlreichen zu beachtenden Regeln nicht womöglich erheblich praktikabler, professioneller und damit auch im Sinne des Tierwohls empfehlenswerter, wenn Börsen eher von darauf spezialisierten Profis veranstaltet werden als von womöglich in diesen Dingen weit weniger beschlagenen Vereinen oder Ehrenamtlichen?
Nichts gegen gut organisierte Börsen von Haltervereinigungen – aber eine Börse wird doch nicht durch ihren Veranstalter tiergerechter, sondern durch die möglichst professionelle Durchführung und die gewissenhafte Kontrolle der Regeln, die von kommerziellen Anbietern zweifellos mindestens ebenso gut gewährleistet werden können.
Unabhängig vom Veranstalter ist weitaus problematischer aber noch die Frage nach kommerziellen Anbietern auf Börsen. Das Positionspapier, so vage es gehalten ist, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass gewerbliche Anbieter auf Börsen ausgeschlossen werden sollen. Allerdings gelten Züchter bereits sehr rasch als gewerbliche Anbieter. Nach den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Tierschutzgesetzes sind Züchter bereits als gewerbsmäßig anzusehen, wenn sie beispielsweise 100 Schlangen, 50 Schildkröten oder Fische im Wert von ca. 2000 Euro im Jahr verkaufen. Das aber sind Werte, die von engagierten Tierhaltern sehr leicht erreicht werden, wodurch viele Hobbyzüchter rein rechtlich gezwungen sind, als gewerbsmäßige Anbieter aufzutreten, mit entsprechender Genehmigung nach §11 Tierschutzgesetz. Wenn diese Züchter nun nicht mehr auf Tierbörsen ihre Nachzuchten anbieten dürften, würde das vor allem genau diejenigen treffen, die im Sinne des Tier- und Artenschutzes die wichtigste Arbeit in der privaten Tierhaltung leisten. Sie wären dann gezwungen, ihre Tiere nur noch über das Internet oder über stationäre Zoogeschäfte anzubieten.
Der DV-TH hat, wie bereits erwähnt, ganz sicher nichts gegen den Zoo-Einzelhandel. Dass es aber für das Tierwohl besser sein soll, wenn ein Züchter seine Tiere erst an den Zoohändler abgeben muss, wo sie dann möglicherweise über einen längeren Zeitraum gehalten werden, bis sie einen Kunden finden, als wenn er sie auf Börsen direkt selbst an den Endabnehmer vermitteln kann, ist nicht nachvollziehbar.
Gerade für weniger gängige Arten ist dieser Weg sogar höchst problematisch: Kein kleines Zoofachgeschäft kann die große Palette an exotischen Tieren anbieten, die heute durch die unermüdliche Arbeit zahlreicher Privathalter in menschlicher Obhut nachgezogen und erhalten werden, darunter zahlreiche gefährdete Arten.
Das gilt für Vögel und Kleinsäuger ebenso wie für die großen und artenreichen Gruppen der Reptilien, Amphibien, Fische und Wirbellosen. Auf spezialisierten Börsen können genau solche Tiere zielgenau vom Züchter an interessierte Tierhalter abgegeben werden. Im Zoo-Einzelhandel wäre das schlicht unmöglich.
Ein Beispiel: Auf einer spezialisierten Tierbörse ist es in der Regel kein Problem, über ein Dutzend verschiedener Arten einer bestimmten Tierverwandtschaftsgruppe im Angebot zu finden – Arten, die sehr gut in menschlicher Obhut gedeihen und zudem oft auch noch gefährdet sind. Hier trägt die private Tierhaltung direkt zum Artenschutz bei. Interessierte Tierhalter kommen aus allen Teilen des Landes oder sogar aus anderen Ländern zu solchen Veranstaltungen, um hier genau solche Tiere zu finden. Eine im Sinn des Tier- und Artenschutzes ideale Möglichkeit, Tiere abzugeben. Aufgrund der sehr guten Zuchtergebnisse (bei vielen Arten reichen mitunter bereits die Nachkommen aus einem oder zwei Würfen oder Gelegen, um an die „gewerbsmäßige“ Grenze der Zucht zu gelangen) sind die Anbieter schon aus rechtlichen Gründen als „gewerbsmäßig“ eingestuft. Gerade sie könnten nach der Forderung des Positionspapiers ihre Nachzuchten dann nicht mehr anbieten, sondern müssten dafür auf das Internet oder den lokalen Zoohandel zurückgreifen, der naturgemäß aber an derart speziellen Tierarten gar kein Interesse haben dürfte.
Im Ergebnis würde durch solch eine Regelung also vor allem die Haltung und Nachzucht von Tierarten jenseits des „Mainstreams“, also von Arten jenseits des üblichen Spektrums normaler Zoogeschäfte, behindert und eingeschränkt. Genau solche Tierhaltung also, die in besonderer Weise für Spezialisten interessant ist, die hilft, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und die ganz praktisch den Artenschutz unterstützt.
Dass der Deutsche Tierschutzbund, TASSO und Pro Wildlife als erklärte Gegner genau solcher privater Tierhaltung diesen indirekten Weg der Einschränkung privater Wildtierhaltung unterstützen, verwundert nicht. Für sie ist es die Möglichkeit, Positivlisten sozusagen durch die Hintertür durchzusetzen.
Dass aber der ZZF und der BNA hier ganz offensichtlich aus reinem kurzfristigen geschäftlichem Kalkül die Interessen der von ihnen vertretenen Tierhalter und Fachgeschäfte verraten, ist aus Sicht des DV-TH ebenso unverständlich wie falsch.
Der DV-TH fordert deshalb, Tierbörsen ebenso wie den stationären Zoohandel unter den bestehenden strengen Auflagen bei sorgfältiger Kontrolle in bewährter Weise zu belassen und ruft alle Tierhalter und gewerblichen Anbieter dazu auf, sich nicht für vermeintliche kurzfristige wirtschaftliche Vorteile gegenseitig ausspielen zu lassen.