Die „Zeit“ wird zum Verlautbarungsorgan von Tierrechts-Extremisten

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Offensichtlich hat die eigentlich als eher ausgewogen geltende bürgerliche „Zeit“ ein erhebliches Problem mit Menschen, die andere Hobbys haben, als Tee-Sorten und Ohrensessel aus aller Herren Länder zu sammeln, mit deren Hilfe sie sich durch telefonbuchdicke Wochenzeitungen arbeiten können. Anders ist die aggressiv-verfälschende Berichterstattung, die sich die Hamburger derzeit rund um die in Johannisburg tagende Konferenz der Vertragsstaaten des Washingtoner Artenschutzabkommens leisten, kaum zu erklären. Nachdem sie schon in der Woche zuvor in ihrer Print-Ausgabe mit zahlreichen Falschinformationen und Diffamierungen die Aquaristik angegriffen hat (siehe Stellungnahme des DV-TH zum Artikel „Freiheit für die Fische“), waren in der Online-Ausgabe am 1.10.2016 nun die Terrarianer und Vogelhalter dran.

Allein schon die grob polemische Überschrift zeigt, wo es lang geht: „Chinesen lieben Elfenbein, wir quälen Geckos“ – da wird also mal eben der hiesige Hobby-Terrarianer, der engagiert und liebevoll seine Reptilien pflegt, als Tierquäler diffamiert , und gleichzeitig wird diese vermeintliche Quälerei gleichgesetzt mit den desaströsen Auswirkungen des asiatischen Wildtierhandels, der ganze Arten und Tiergruppen (Nashörner, Elefanten, Asiatische Sumpfschildkröten) für immer von unserem Planeten auszurotten droht. Der Teaser des Textes unterstreicht diese Gleichsetzung mit einer rhetorischen Frage, die ihre Verneinung gleich vorgibt: „Nashornpulver für die Potenz, Elfenbein zum Angeben: Jaja, Asiaten sind schuld, wenn bedrohte Arten sterben. Sind wir besser? Ein Blick in deutsche Terrarien“. Dann wagen wir im Gegenzug mal einen Blick in diesen Artikel.

Schon im ersten Absatz geht es rund. Immerhin: Autorin Dagny Lüdemann versucht erst gar nicht, so etwas wie Objektivität vorzutäuschen. Sie vertritt ohne Abstriche die Position der Tierrechtsorganisation Peta und unterstellt jedem im Terrarium – bzw. im Duktus der Autorin: im „Fake-Regenwald“ – gehaltenen Reptil ein „trauriges Schicksal“. Eine solche Einschätzung wird allerdings von praktisch keinem Biologen geteilt. Sie ist vielmehr eine Position von Leuten, die jede Haltung von Wildtieren erklärtermaßen ablehnen. Die „Zeit“ macht sich hier also zum ungefilterten Verlautbarungsorgan für eine Radikalentruppe wie Peta, die ansonsten gerne mal jüdische KZ-Opfer mit Legehennen gleichsetzt und Nicht-Veganer mit Kannibalen. Dabei ist Dagny Lüdemann nicht irgendeine Praktikantin, sondern immerhin die „Leiterin der Ressortgruppe Wissen, Digital und Campus bei ZEIT ONLINE“.

Für eine „Leiterin der Ressortgruppe Wissen“ wundert man sich allerdings ein bisschen über das im Artikel offensiv ausgestellte Nichtwissen. Dass der „Williamsgecko“ (gemeint ist der Türkisblaue Zwerggecko, Lygodactylus williamsi) sich zwar einiger Popularität erfreut, ist richtig, von „einem der beliebtesten Geckos unter Reptilienhaltern“ aber ist er dennoch weit entfernt – da kommen schon noch ein paar dutzend andere Arten vor ihm. Etwas Dramatisierung tut aber natürlich immer gut – geschenkt. Kritischer ist da schon der im Text gleich zweimal unterstellte Wunsch nach sozialer Nähe bei Reptilien. Die Autorin impliziert, Reptilien leiden, wenn sie allein gehalten würden. Das ist aber vielfach bewiesen gerade nicht der Fall (auch der Türkisblaue Zwerggecko sollte im Regelfall höchstens paarweise gepflegt werden). Da hat die Autorin vermutlich ihr eigenes Kuschelbedürfnis auf die armen Geckos projiziert. Auch nicht gerade von Sachkenntnis zeugt die Unterstellung, Halter würden aus Kostengründen häufig auf die „energiefressenden UV-Lampen“ verzichten – ein einfacher Blick in dieses Internet oder jede Zoohandlung mit Terraristikabteilung hätte genügt, um festzustellen, dass UV-Lampen keineswegs mehr Energie verbrauchen als konventionelle Leuchtmittel. Noch weitaus haarsträubender ist die Behauptung, wer sich „einen Gecko, eine Schildkröte oder Schlange“ anschaffe, müsse „immer damit rechnen, dass das Tier illegal gefangen worden“ sei. Das behaupten normalerweise nicht einmal der Wildtierhaltung gegenüber kritisch eingestellte Artenschützer. Tatsächlich werden Geckos, Schildkröten und Schlangen zu vielen Tausenden in Deutschland nachgezüchtet, und es bereitet keinerlei Probleme, sichere Nachzuchten zu erstehen. Ebenfalls haarsträubend falsch ist die von Tierrechtlern in jüngster Zeit in die Welt gesetzte Zahl von der Transportmortalität bei Wildfängen. 70 % seien üblich, zitiert die Autorin die falschen Angaben. Die einzige wissenschaftliche Untersuchung in Deutschland zum Thema stammt vom Bundesamt für Naturschutz, ist inzwischen zwanzig Jahre alt (also aus einer Zeit, als Bedingungen schlechter und Regularien weniger streng waren) und hat erheblich geringere Mortalitätsraten von ca. 3 % ermittelt, was etwa der natürlichen Mortalitätsrate entsprechen dürfte. Die 70 %, mit denen Peta, Pro Wildlife und andere derzeit agieren, entspringen erstens einer von den Tierrechtlern selbst veröffentlichten Arbeit und beziehen sich zweitens auf den Einzelfall einer vor Jahren wegen horrender Bedingungen geschlossenen US-amerikanischen Importfirma.

Im Weiteren versucht die Autorin zu begründen, warum ihrer Meinung nach Reptilien nicht artgerecht im Terrarium gehalten werden können. Unter anderem nämlich, weil „falsch benutzte“ UV-Lampen zu Schäden führen können. Und weil die Tiere regelmäßig gefüttert werden müssen und Wasser brauchen. Allerhand! „Mehr als ein paar Tage dürfen Halter ihre Geckos nicht sich selbst überlassen.“ Was sie natürlich fundamental von anderen Haustieren unterscheidet – ein klarer Punkt gegen die Wildtierhaltung! Daraus folgt dann zwangsläufig: „Wegen solcher Schwierigkeiten lehnen die Tierschützer von Peta sogar den Kauf gezüchteter Reptilien ab.“ Wirklich schlimm, diese Schwierigkeiten: Tiere müssen regelmäßig gefüttert werden, und man darf Zubehör für die Pflege nicht falsch einsetzen!

Als Fazit ihres Artikels setzt Lüdemann tatsächlich drängende Artenschutzprobleme wie Elefanten- und Nashornwilderei sowie ihre Ursache, nämlich die Nachfrage nach Elfenbein- oder Hornprodukten in Asien, gleich mit der Hobbyhaltung von Reptilien und Vögeln in Europa. Das ist eine groteske Verdrehung der Wirklichkeit. In aller Regel wird durch die Hobbyhaltung keine Art gefährdet. Im Gegenteil sind es oft gerade die Hobbyhalter, die durch ihre Zuchterfolge helfen, gefährdete Arten zu erhalten. Die wenigen Fälle, wo tatsächlich durch einen zu intensiven Handel mit lebenden Tieren für die Hobbyhaltung ein negativer Einfluss auf wildlebende Arten bekannt geworden ist, sind überwiegend gerade von den Tierhaltern selbst publik gemacht worden, die Gegenmaßnahmen wurden gerade aus ihren Reihen eingeleitet. So auch im Fall des Lygodactylus williamsi. Es war eine von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT; der gemeinsame Dachverband der Reptilienhalter und in der Kriechtierkunde arbeitender Wissenschaftler) finanzierte und angestoßene Studie, die überhaupt erst die Gefährdung dieser Art aufgedeckt und bekannt gemacht hat (und die im Anti-Terraristik-Artikel von Lüdemann sogar zitiert und verlinkt wird). Auch ist das Absammeln der Himmelblauen Zwerggeckos keineswegs der einzige und mittelfristig ganz sicher auch nicht der entscheidende Grund für die Gefährdung dieser Art. Das ist vielmehr die Zerstörung ihres nach bisheriger Kenntnis nur sehr kleinen Lebensraums, die auch nach der Unterschutzstellung durch das Washingtoner Artenschutzabkommen ungebremst voranschreiten wird. Es sind gerade die Terrarianer, die diese bedrohte Art inzwischen in erfreulich großer Stückzahl nachzüchten und so eine individuenstarke Backup-Population aufgebaut sowie das nötige Wissen für Erhaltungszuchten in Zoos gesammelt haben.

Schließlich diffamiert Lüdemann auch noch die privaten Tierhalter, indem sie pauschal über jede Haltung von Reptilien und Vögeln („gleichzeitig krabbeln und flattern in deutschen Terrarien und Volieren Tiere herum …“) urteilt: „All das ist Tierquälerei.“ Die „Zeit“ transportiert damit unter dem Deckmantel einer kritischen Würdigung von Artenschutzproblemen eine in Wahrheit radikale Tierrechtler-Position, die klar erkennbar gegen jede Wildtierhaltung gerichtet und damit selbst in Tierschützerkreisen eine Extremposition ist.
Dagny Lüdemann schließt ihren Artikel mit den Worten: „Ehe wir also wieder auf die Chinesen schimpfen: Kurz überlegen, woher das eigene Haustier wohl stammt. Falls Ihr Papagei sprechen kann, fragen Sie ihn doch mal, was ihn nach Deutschland verschlagen hat.“ Frau Lüdemann immerhin kann tatsächlich sprechen. Da wäre es schön gewesen, wenn sie auch klar ausgesprochen hätte, dass sie die Ideologie der Tierrechtler von Peta vertritt und also nicht objektiv berichtet, sondern selbst Partei ist, statt ihre grundsätzliche Ablehnung jeder Wildtierhaltung hinter Artenschutzbedenken zu verstecken.

Verfasst von DV-TH e.V.

Der Dachverband der Tierhalter (DVTH e.V.) wurde am 03.10.2012, am „Tag der Deutschen Einheit“, als Gegengewicht zu Tierrechtsorganisationen, die im Moment ein Verbot der „Exotenhaltung“, mittelfristig aber ein totales Verbot der Haustierhaltung fordern, gegründet... [Weiter lesen]
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