Stellungnahme zum Artikel „Freiheit für die Fische“ (Zeit 40/2016)

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In dem Artikel „Freiheit für die Fische“ fordert Bernd Brunner die Abschaffung der Aquarien, da sie nur noch ein kitschiges Relikt vergangener Forschung seien, er bezeichnet die Aquaristik allgemein als Subkultur. Dies ist ein Schlag ins Gesicht aller ernsthaften Aquarianer, der nicht unwidersprochen hingenommen werden kann.

Zahlen des Zentralverbandes des Zoofachhandels (ZZF) e. V. geben an, dass sich 2015 in 4 % der deutschen Haushalte insgesamt 2 Mio. Aquarien befanden, also in insgesamt 1,6 Mio. Haushalten. Da in diesen Haushalten zu 70 % mehr als eine Person lebt, kann die Zahl der Aquarianer mit deutlich über 2 Mio. angegeben werden. Hier von einer Subkultur zu sprechen, ist schlichtweg diffamierend. Wie müsste man dann vor diesem Hintergrund die knapp 640.000 Golfer in Deutschland bezeichnen?

Kernpunkt der These von Brunner ist, dass Aquarien nur künstliche Welten schaffen und keine echte Abbildung der Natur bzw. wenn, dann nur Ausschnitte. Glaubt der Autor tatsächlich, dass dies den Aquarianern nicht bewusst ist? Natürlich kann eine Haltung in Menschenobhut – und dies gilt nicht nur für die Aquaristik – niemals die Natur im Maßstab 1:1 nachbilden. Sie kann aber sehr wohl einen Einblick in die komplexe Unterwasserwelt ermöglichen, indem sie den Fokus auf die wesentlichen Dinge lenkt. Gerade hier liegt ja auch der Anspruch der Wissenschaft, den Bernd Brunner als Ursprung der Aquaristik anführt. Auch Jeanette Power de Villepreux, die Brunner als Pionierin der Aquaristik preist, war sich sicher bewusst, dass ihre Holzkästen kein exaktes Abbild der Natur darstellen. Dennoch konnte sie wichtige Erkenntnisse über den von ihr erforschten Nautilus gewinnen.

Den heutigen Aquarianern jeglichen Bezug zur Wissenschaft abzusprechen, wie es Brunner macht, ist schlichtweg unverschämt. Zahlreiche Publikationen engagierter Aquarianer beweisen das Gegenteil. Diese zu verschweigen ist mindestens schlechter Stil und zeugt von einseitiger Berichterstattung. Positive Aspekte, wie die erfolgreiche Nachzucht von Meeresfischen, denn auf diese bezieht sich Brunner hautsächlich, werden nur am Rande erwähnt und sofort eingeschränkt. Dabei würde der einfache Blick auf die Angebotsseiten des Handels genügen, um festzustellen, dass dort über 50 handelsrelevante Arten als Nachzuchten angeboten werden.

Dass es durchaus im Bereich der Wildfänge Verbesserungsbedarf geben mag und hier nicht mehr nach den Verfahren des letzten Jahrhunderts verfahren werden kann, ist dabei jedem kritischen Aquarianer bekannt. Nicht ohne Grund hat sich Ornamental Fish International (OFI) gegründet, die u. a. den Respekt vor den natürlichen Populationen und dem Lebensraum der Fische fördert. Dies alles übrigens aus der Aquaristikszene heraus, ohne staatlichen Druck, was zeigt, dass Brunner eines nicht verstanden hat, nämlich den enormen Effekt durch den emotionalen Bezug zum Fisch, den jeder Aquarianer erlebt. Hierdurch wird eben genau das erzeugt, was Brunner in einem Nebensatz erwähnt, das Bewusstsein für den gefährdeten Lebensraum. Genau das vermag die geforderte Alternative, der Flachbildschirm, eben gerade nicht zu erzeugen, weshalb er keine Alternative ist. Gerade in unserer durchtechnisierten Welt ist der direkte Bezug zum lebenden Objekt mit allen Sinnen wichtig, um Bewusstsein für die Kreatur und ihre Bedürfnisse zu schaffen.
Kritisch müssen auch die von Brunner nicht näher verifizierten Verluste beim Transport der Fische gesehen werden. Dieses gebetsmühlenartig wiederholte Argument, ohne eine konkrete Nennung von Zahlen, ist schlichtweg falsch, da durch die schnelleren und besseren Transportwege sich die Verluste längst auf der Mortalitätsrate in der Natur bewegen. Wiederholung macht die Argumentation also nicht besser, sondern sie zeigt nur die mangelnde Recherche auf.

Besonders irrt Bernd Brunner in seiner Abschlussthese. Das Hobby Aquaristik ist eben nicht der zweifelhafte Versuch, sich mit dem Ozean zu versöhnen, sondern vielmehr ein Schritt hin zum tieferen Verständnis des Lebensraums Wasser. Nicht ohne Grund entstammen führende Meeresbiologen, die heute beim Schutz des Ökosystems Meer wichtige Erfolge erzielen, der Aquaristikszene. Alleine durch Filme wären sie wahrscheinlich nie so weit gekommen, weil ihnen neben Fachwissen vor allem der Bezug gefehlt hätte. Die einzig denkbare Alternative um dennoch einen persönlichen Bezug zu kreieren, wäre es, die Menschen allesamt in die Ozeane zum Tauchen zu schicken.

Das Hobby Aquaristik ist also keine Subkultur, sondern eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, die neben der Schaffung von Umweltbewusstsein auch eine unermessliche Menge Wissen erzeugt, das durch den besseren Schutz der Umwelt letztlich allen Menschen zugutekommt. Statt die Aquaristik zu verteufeln, sollte man sie daher nach Kräften fördern.

Verfasst von DV-TH e.V.

Der Dachverband der Tierhalter (DVTH e.V.) wurde am 03.10.2012, am „Tag der Deutschen Einheit“, als Gegengewicht zu Tierrechtsorganisationen, die im Moment ein Verbot der „Exotenhaltung“, mittelfristig aber ein totales Verbot der Haustierhaltung fordern, gegründet... [Weiter lesen]
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