Steuern Niedersachsens Grüne ein Exoten-Verbot an?

chameleonNiedersachsen wird von einer rot-grünen Koalition regiert.
Der für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständige Minister Christian Meyer von den Grünen gilt als Vorreiter in Sachen Tierschutz in der Landwirtschaft,
ein Politikfeld, wo zweifellos noch viel Sinnvolles und Gutes für die Tiere erreicht werden kann.
Für die Landesdeligiertenkonferenz der Grünen am 7. und 8. November 2015 in Osnabrück hat die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Tierschutz der Partei nun
einen Entschließungsantrag vorgelegt, der den Tierschutz noch stärker in das Zentrum des regierungspolitische Handelns rücken will (siehe hier).
Neben zweifellos sinnvollen Vorschlägen und vielen eher vagen, aber wohlklingenden Absichtserklärungen lassen einige Passagen des Entschließungsantrags
leider darauf schließen, dass – wie in vielen Tierschutz-LAGs der Grünen – auch hier ideologische Tierrechtler federführend mitgewirkt haben.

So finden sich eine ganze Reihe hochproblematischer Formulierungen und Forderungen.
Der für Tierhalter und echte Tierschützer problematischste Aspekt ist Punkt 2 des Entschließungsantrags: „Heimtiere und Exoten in Privathaushalten – Verantwortung übernehmen“.
Ganz abgesehen davon, dass es ja gerade die Halter sind, die Verantwortung für die von ihnen gepflegten Tiere übernehmen, und dies in der großen Mehrheit mit viel Liebe,
Engagement und Fachwissen zum Wohle der Pfleglinge, werden hier einige sachlich problematische Aussagen getroffen und höchst gefährliche Forderungen erhoben.


Schon mit dem einleitenden Satz „Die Anzahl der Heimtiere und Exoten in Privathaushalten steigt seit Jahren“ wird ein falscher Eindruck erweckt, nämlich der eines möglicherweise gerade entstehenden neuen Problems. Tatsächlich aber ist die Zahl der gepflegten „Exoten“ (wozu alle nicht-domestizierten Tiere gerechnet werden, von Zierfischen über Wildformen von Nagetieren wie Hamstern, Degus etc. bis hin zu Reptilien und Amphibien) seit Jahren eher rückläufig. Was durchaus bedauerlich ist, denn die Haltung exotischer Tiere stellt eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung mit großem Mehrwert für Wissenschaft, Artenschutz und Umwelterziehung dar.

Es ist aber schlicht ein Manipulationsversuch, hier den Eindruck einer möglicherweise drohenden „Exotenschwemme“ zu zeichnen, wie radikale vermeintliche Tierschützer
dies seit Jahren immer wieder versuchen.

Auch der nächste Satz deutet in diese stimmungsmachende Richtung: „Viele dieser Tiere werden aufgrund fehlender Sachkenntnis nicht ihrer Art entsprechend gehalten.
Sie werden häufig von überforderten BesitzerInnen ausgesetzt oder entkommen und verwildern.“
Selbstverständlich gibt es die beschriebenen Missstände, so wie es bei jedem menschlichen Handeln immer auch Missstände und überforderte Personen gibt.
Hier wird allerdings einseitig der Eindruck von einer gravierenden Problemlage erzeugt und somit ein dringender Handlungsbedarf suggeriert. Tatsächlich aber ist die übergroße Mehrheit der Tierhalter eben nicht überfordert, und verglichen mit der Zahl gehaltener Tiere sind die Fälle von Aussetzungen, entkommenen und verwilderten Tieren sehr gering (mit Ausnahme vielleicht des Spezialfalls Katzen).
Das entscheidende Problem und die Folge dieser einseitigen Betrachtung der privaten Tierhaltung verbirgt sich dann hinter der Kernforderung dieses Punktes
des Entschließungsantrags: Es soll „in einer Positivliste geregelt werden, welche Tiere für die Haltung in Privathaushalten geeignet sind.“
Eine Positivliste aber wäre das Ende der privaten Exotenhaltung, wie sie seit über 100 Jahren in Deutschland eine erfolgreiche und für Wissenschaft und Artenschutz
immens wichtige Tradition hat.

Eine Positivliste würde gerade die Aquarianer und Terrarianer treffen, die sich intensiv mit seltenen, geschützten oder schlicht bislang noch wenig bis gar nicht bekannten Arten widmen,
da der Großteil der artenreichen Gruppen der Fische, Reptilien, Amphibien und Wirbellosen natürlich nicht auf einer solchen Liste aufgeführt wäre.
Damit würde jede Weiterentwicklung des Hobbys verhindert und damit jeder Wissenszuwachs, der immer wieder auch zum Nutzen der professioniellen Tierhaltung in Zoos und Forschungseinrichtungen sowie für den Artenschutz ist.

Es wäre schlicht das Ende der klassischen Aquaristik und Terraristik, wie sie in Deutschland besonders herausragend und eng mit der Wissenschaft verzahnt entwickelt ist.
Ein Hohn in Zeiten, in denen ansonsten überall von „citizen science“, also von durch Bürger betriebener Wissenschaft, gesprochen wird und diese gefördert werden soll.
Hinzu kommt, dass Positivlisten kein einziges Tierschutzproblem lösen, denn die Arten, die in Tierheimen aufgefangen werden müssen, sind genau die, die dann auch auf einer Positivliste stehen würden, nämlich die häufig gehaltenen. Im Fall der Reptilien ist das besonders eindrucksvoll zu sehen.
Die angebliche „Exotenschwemme“ in den Tierheimen, die auch in dem Entschließungsantrag der Grünen bemüht wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen nämlich durchgehend als Ansammlung einiger weniger, besonders häufig gehaltener Arten (und oft schon in Ansätzen domestizierter, also im Aussehen durch Zucht veränderter Formen) wie Bartagamen, Kornnattern und vor allem das klassische Heimtier „Schildkröte“, seien es Wasser- oder Landschildkröten.
Arten also, die zweifellos auch auf jeder Positivliste stehen würden.
Grundsätzlich ist fast jede Tierart in menschlicher Obhut haltbar. Letztlich ist es nur eine Frage des Fachwissens und des Aufwandes.
Die im Antrag gewünschte Definition von Arten, „die für die Haltung in Privathaushalten geeignet sind“, ist also irreführend und kontraproduktiv. Wir fordern daher entschieden, beim bisherigen System der Negativlisten zu bleiben, auf denen nur Arten aufgeführt sind, die aus bestimmten, objektiv nachvollziehbaren Gründen für die private Haltung nicht oder nur unter Auflagen geeignet sind (z. B. Artenschutz, Gefährlichkeit).
Ebenfalls problematisch ist die Forderung nach einem generellen Sachkundenachweis für das Halten exotischer Arten. Selbstverständlich soll jeder Tierhalter die nötige Sachkunde haben.
Dies gilt für klassische Heimtiere aber genauso wie für Exoten.
Eine Ungleichbehandlung ist aus Tierschutzgründen nicht gerechtfertigt und dient einzig dem ideologisch motivierten Ziel der Tierrechtler, die Haltung von möglichst vielen Tierarten zu verbieten oder alternativ maximal einzuschränken.
Auch die diesen Abschnitt abschließende Forderung nach einer Überarbeitung der niedersächsischen Gefahrtierverordnung verheißt nichts Gutes.
Zweifellos bietet auch die niedersächsische Regelung einigen Verbesserungsbedarf, der besonders durch das Hinzuziehen von biologisch versierten Fachleuten realisiert werden könnte. Grundsätzlich aber ist die niedersächsische Regelung durchaus bewährt und sachgerecht.
Zu vermuten ist, dass die Tierrechts-Ideologen auch in Niedersachsen ein totales Haltungsverbot möglichst vieler Arten anstreben werden, wie es in Hessen und Berlin gilt (und dort eben keineswegs positive Folgen, sondern vielmehr erst recht Probleme und gefährliche Situationen geschaffen hat).
Die Forderung der Einführung verschiedener Listen weist deutlich auf diese Motivation hin.
Auch in den anderen Abschnitten des Entschließungsantrags finden sich teilweise problematische und sachlich falsche Aussagen, insbesondere für den Bereich der Wildtierhaltung in Zoos und Zirkussen, auf die an dieser Stelle aber nicht näher eingegangen werden kann.
Wir appellieren daher an alle Tierhalter, Einfluss zu nehmen auf die niedersächsischen Grünen. Auch viele Mitglieder dieser Partei sind engagierte Tierhalter oder wissen als in der Praxis tätige Arten- und Naturschützer oder Wissenschaftler, wie wichtig der Beitrag privater Tierhalter für diese Bereiche ist.
Setzen Sie sich mit Ihrem grünen Kreisverband und Ihren grünen Landtagsabgeordneten in Verbindung. Legen Sie sachlich Ihren Standpunkt als privater Tierhalter, Wissenschaftler oder Artenschützer dar.
Bleiben Sie trotz des natürlich emotionalen Themas möglichst ruhig und nüchtern dabei – Polemik oder gar Beschimpfungen befördern Abwehrreaktionen, fundierte sachliche Argumente finden dagegen viel eher Gehör.
Je früher bei den politisch Verantwortlichen ein Gefühl dafür entsteht, dass Tierschutz eben keineswegs nur durch die ideologisch geprägten Tierschutzverbände betrieben oder gar von diesen definiert wird, sondern in der Praxis Tag für Tag vielen Zehntausenden Menschen ein entscheidendes Anliegen ist, desto eher werden die Verantwortungsträger auch bereit sein, beide Seiten zu hören und sich nicht nur auf die Einflüsterungen der „spin doctors“ tierrechtlerisch motivierter Ideologen verlassen.

Verfasst von DV-TH e.V.

Der Dachverband der Tierhalter (DVTH e.V.) wurde am 03.10.2012, am „Tag der Deutschen Einheit“, als Gegengewicht zu Tierrechtsorganisationen, die im Moment ein Verbot der „Exotenhaltung“, mittelfristig aber ein totales Verbot der Haustierhaltung fordern, gegründet... [Weiter lesen]
Zeige alle Beiträge des Verfassers